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Ein neuer Ansatz in der COVID-19-Behandlung lässt Forscher hoffen

Die Wissenschaft sucht mit Hochdruck nach Mitteln gegen das SARS-CoV-2

Das Tempo, mit dem sich das neuartige Corona-Virus ausbreitet, fordert möglichst schnelle Lösungen in der Wissenschaft. Weltweit untersuchen tausende Studien bereits existierende Medikamente, ob diese als Therapie für die Covid-19-Erkrankung in Frage kommen. Die meisten der untersuchten Wirkstoffe wirken antiviral und sollen die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung einerseits als auch dessen Vermehrung innerhalb des menschlichen Körpers verlangsamen oder blockieren. Zu den bekanntesten Medikamenten gehören das gegen Ebola entwickelte Rendesivir und Kaletra, das in der HIV-Behandlung eingesetzt wird.

Einige Wissenschaftler verfolgen dagegen einen außergewöhnlichen Ansatz bei der Suche nach einer pharmazeutischen Lösung. So haben Forscher der dänischen Aarhus Universität unter der Leitung des Infektiologen Ole Sogaard eine klinische Untersuchung des Präparats Camostat Mesylate gestartet. Das Präparat ist in Südkorea und Japan zur Behandlung von Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung) zugelassen. Die Studie veranschaulicht den neuen Ansatz bei der Covid-19-Bekämpfung. Dieser Ansatz nimmt nicht den Virus selbst ins Visier, sondern befasst sich mit der Schnittstelle zwischen dem Erreger und der menschlichen Zelle. Auch an der University of California in San Francisco beschreiten Forscher diesen neuartigen Weg. Der dort tätige Molekularbiologe Nevan Krogan weist gegenüber dem Science-Magazin auf die Bedeutung der menschlichen Gene und Proteine für die Replikation des Virus hin. Camostat Mesylate ist ein möglicher Kandidat, um diese Interaktion zu blockieren. Das heißt, der Wirkstoff zielt nicht auf das Virus ab, sondern auf seinen Wirt.

Um solche Wirkstoffe zu identifizieren, müssen die Wissenschaftler die komplizierten Prozesse, die zwischen dem Virus und der menschlichen Zelle ablaufen, sehr genau beobachten. Aus der Erfahrung mit anderen Corona-Viren kennen die Forscher, den grundsätzlichen Ablauf der Infektion: Ein stachelähnliches Protein an der Virusoberfläche knüpft sich an einen Rezeptor der menschlichen Zelle (ACE2). Danach trennt ein weiteres menschliches Protein (TMPRSS2) das Virusprotein ab und ermöglicht dem Virus dadurch, sich mit der Zelle zu verschmelzen und sich dort zu reproduzieren.

Camostat Mesylate soll nun seinerseits TMPRSS2 blockieren. Professor Stefan Pöhlmann vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen konnte unter Laborbedingungen nachweisen, dass das Präparat SARS-CoV-2 davon abhält, Lungenzellen zu infizieren. Dabei weist der Wissenschaftler darauf hin, dass die normale Funktion von TMPRSS2 für den menschlichen Körper bislang unbekannt ist. In Studien an Mäusen zeigte die Entfernung dieses Gens keine Auswirkungen. Die dänische Studie, bei der 180 Teilnehmern fünf Tage lang die in der Pankreatitis-Behandlung höchste Dosierung von drei mal täglich 200mg verabreicht wird, soll nun vor allem klären, ob Camostat Mesylate einen ausreichenden Schutz der Lungen, dem primären Ziel von SARS-CoV-2, bietet. Ergebnisse werden nach drei Monaten vorliegen.

Schon vor Beginn der dänischen Studie hatte Krogan in San Francisco 332 menschliche Proteine identifiziert, die von SARS-CoV-2 angegriffen werden – bevor seine Untersuchungen wegen der Epidemie-bedingten Schließung der Universität abgebrochen werden mussten. Krogans Fazit war: Das Virus drängt sich in die meisten biologischen Prozesse des Körpers. Allerdings gibt es noch keine Erklärung, wofür das Virus die meisten dieser Proteine benötigt. Krogans Team benennt 69 bereits für andere Krankheiten entwickelte Medikamente – von der Krebs- bis zur Schizophrenie-Behandlung -, die auf 66 dieser Proteine wirken. Ein weiterer großer Vorteil dieses Ansatzes wäre, dass bei einer Therapie, die sich auf den Wirt konzentriert anstatt auf den Auslöser, das Virus weniger dazu neigt, Resistenzen zu entwickeln. Daher hoffen die Kalifornier darauf, mit ihrem Ansatz nicht nur die aktuelle Pandemie in den Griff bekommen zu können, sondern sogar einen Schutz vor möglichen Nachfolgern wie COVID-22 oder -24 zu finden.